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Dissertationen und Habilitationen
id
2016
  • Habilitation
Modulation der Apoptosebereitschaft beim Hepatoblastom durch BH3-Mimetika
Lieber, Justus
Armeanu-Ebinger, Sorin; Fuchs, Jörg
Eberhard Karls Universität Tübingen
Hintergrund:
Das Hepatoblastom (HB) ist der häufigste maligne Leberzelltumor im Kindesalter. Die Behandlung ist multimodal und besteht aus einer neoadjuvanten Chemotherapie sowie der chirurgischen Tumorentfernung, wobei ein Überleben nur nach kompletter Tumorentfernung möglich ist. Standard-Risk-Tumoren haben heute 5- Jahresüberlebensraten von 95%. Die Behandlungsergebnisse von High-Risk- Tumoren sind mit 3-Jahresgesamtüberlebensraten um 70% trotz Verbesserungen von Diagnostik und Technik schlechter. Die Hauptgründe hierfür sind zunehmende Chemoresistenzen sowie die Metastasierung. Als ursächlich werden molekulare Mechanismen diskutiert, die zu einer bevorzugten Etablierung von Tumorzellen mit einem hohen antiapoptotischen Status führen. Deshalb stellt die Modulation der Apoptosebereitschaft eine vielversprechende Alternativtherapie dar, um die Behandlungsergebnisse weiter zu verbessern.

Zielsetzung:
Ziel dieser Arbeit war die Darstellung der Apoptosebereitschaft von HB-Zellen im Vergleich zu gesunden Leberzellen sowie die Veränderung der Apoptosebereitschaft von Tumorzellen durch sogenannte Apoptose-Sensitizer, zum Beispiel Substanzen mit BH3-mimetischem Effekt. Weiter sollte untersucht werden, ob BH3-Mimetika als Verstärker einer bereits etablierten Chemotherapie wirken, die körpereigene Immunabwehr unterstützen und inhibitorische Wirkung auf die Metastasierung von HB-Zellen haben.

Ergebnisse
In beiden verwendeten HB-Zelllinien (HepT1 und HUH6) konnte eine vermehrte Expression von antiapoptotischen Proteinen im Vergleich zu gesundem Lebergewebe nachgewiesen werden. Dies kann die Resistenz von HB-Zellen gegenüber Chemotherapeutika erklären und läßt einen positiven Effekt von BH3- Mimetika in der Interaktion mit Initiatorproteinen der Apoptosekaskade in Tumorzellen vermuten.
Von vier getesteten BH3-Mimetika, zeigten Obatoclax oder ABT-737 eine deutlichen Abnahme der Viabilität von HB Zellen in vitro, wohingegen HA14-1 und TW37 keine antiproliferative Wirkung aufwiesen. Obatoclax und ABT-737 bewirkten außerdem eine dosisabhängige Wirkungspotentierung bei der Kombinationstherapie mit 5 verschiedenen Zytostatika (CDDP, DOXO, Paclitaxel, Etoposid und Irinotecan) im Viabilitäts- und Klonogenitätsassay. Der Effekt konnte der Initiierung der Apoptosekaskade durch Darstellung aktiver Caspasen zugeordnet werden.
Das Konzept der Apoptosemodulation konnte auf den lebenden Organismus eines Tiermodells übertragen werden. Im peripheren HB-Modell zeigte sich nach intraperitonealer Kombinationstherapie mit ABT-737 und CDDP bzw. Paclitaxel ein signifikant reduziertes Wachstum subkutaner Xenotransplantate. Die Detektion und Quantifizierung der Apoptoseinduktion erfolgte histologisch mittels TUNEL-Assay. In den Tierexperimenten wurden Nebenwirkungen der Kombinationsbehandlung beobachtet, wobei die Art der Toxizität nicht spezifiziert werden konnte.
Neben der erwarteten intrinsischen Apoptoseinduktion war durch BH3-Mimetika auch die Rezeptor-vermittelte Apoptose verstärkt. Die Kombinationstherapie mit ABT-737 oder Obatoclax zusammen mit TNF-? oder TRAIL führte sowohl in HUH6- als auch HepT1-Zellen zu einer signifikanten Viabilitätsabnahme. Der maximale Effekt konnte bereits mit niedrigen Konzentrationen dieser Zytokine erzielt werden, was wiederum auf die Wirkungspotenzierung der Substanzkombination hinweist. Der Apoptosenachweis gelang mittels Messung des Anstiegs der aktiven Caspasen 3/7 und durch Darstellung des mitochondrialen Membranpotentials. Ferner gelang eine Reduktion viabler Tumorzellen durch Co-Kultivierung von HUH6- oder HepT1-Zellen mit Immunzellen in Kombination mit Obatoclax oder ABT-737. Hierbei ist von einer BH3-Mimetika-unterstützten Wirkung von Zytokinen auszugehen, die von mononukleären Blutzellen sezerniert werden. Dies könnte zur Aktivierung des Immunsystems in der Tumorabwehr beitragen.
Darüberhinaus konnte mit Obatoclax oder ABT-737 konzentrationsabhängig sowohl in HUH6- als auch HepT1-Zellen die Tumorzellmigration inhibiert werden, was sich in einer signifikant reduzierten Migrationsstrecke im Scratch Assay zeigte. Als kausaler Mechanismus fanden sich Veränderung des Zytoskeletts durch BH3-Mimetika.
Die beschriebenen Effekte von BH3-Mimetika auf die Tumorzellmigration und Interaktion mit Immunzellen bestätigten sich im orthotopen Mausmodell für HB. Hier konnte die Inzidenz von HUH6-Tumoren durch Behandlung der Zellen mit niedrigkonzentriertem Obatoclax vor der intrasplenischen Injektion um 68% verringert werden. In diesem Modell konnten BH3-Mimetika die Aktivität von Kupfferschen Zellen als Vertreter des Immunsystems verstärken.

Ausblick
In dieser Arbeit konnte mittels BH3-Mimetika eine Reduktion des HB- Tumorwachstums und der Tumorgröße durch Potenzierung einer Chemotherapie, sowie eine Verminderung der Tumorzelldisseminierung und –metastasierung erreicht werden, die für eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse bei HB von großer Bedeutung sind. Als Vertreter der BH3-Mimetika haben Obatoclax und ABT-737 bereits in klinischen Phase-1 und 2 Studien anderer Malignitäten inklusive solider Tumoren eine antitumoröse Effektivität bei tolerabler Toxizität gezeigt. Somit könnte in Zukunft eine Inklusion der additiven Therapie in Kombination mit BH3-Mimetika auch bei ausgewählten HB-Fällen erfolgen. Für eine höhere Prädiktivität des Wirkungsgrades ist die Bestimmung des individuellen antiapoptotischen Status hilfreich. Ein Einsatz von BH3-Mimetika empfiehlt sich insbesondere im postoperativen Verlauf nach Tumorentfernung zur Verhinderung der Tumorzelldisseminierung. Eine primäre Anwendung sollte in der Gruppe der High- Risk-HB erfolgen, also bei chemotherapieresistenten Tumoren mit Rezidiverkrankung, denn BH3-Mimetika scheinen in der Lage zu sein, bestehende Resistenzen in Tumorzellen zu revertieren. Diese vielfältigen Wirkungsmechanismen der BH3- Mimetika könnten die Effektivität der Chemotherapie erhöhen, so dass im Zusammenhang mit einer kompletten chirurgischen Tumorentfernung eine Verbesserung der Überlebensraten bei HB zu erwarten wäre.
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