Historisches
Wer im Berufsleben steht, als Kinderchirurgin oder Kinderchirug in einer Praxis oder Klinik arbeitet, wer sich mit den Problemen des Gesundheitswesens herumschlägt, wer ein berufliches Ziel hat und dieses verfolgt, den interessieren verständlicherweise in erster Linie Gegenwart und Zukunft. Der Pensionär oder Emeritus lebt zwar nicht nur in der Vergangenheit, aber er schaut zurück. Aus solcher Rückschau ist die Rubrik "Historisches" in unseren Mitteilungen entstanden.
Hat diese Rubrik einen Sinn? Dient sie nur als Füllsel, wenn noch Platz vorhanden ist? Oder können auch die gegenwärtig kinderchirurgisch Tätigen von dem Inhalt einer solchen Rubrik profitieren?
Bei Friedrich Nietzsche können wir in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen lesen: "Das Übermaß von Historie hat die plastische Kraft des Lebens angegriffen. Es versteht nicht mehr, sich der Vergangenheit wie einer kräftigen Nahrung zu bedienen."
Trifft dies auf unsere Kinderchirurgische Gesellschaft zu? Von einem Übermaß an Historie, an Geschichte, an Beschäftigung mit der Geschichte, kann man bei uns wohl auch auf Grund unserer jungen Vergangenheit nicht reden. Dazu ist auch unsere Rubrik zu klein, zu jung, zu unsystematisch. Wir haben Gedenktage zum Anlass genommen, über Pioniere wie Rehbein zu berichten und hohe Geburtstage von Kinderchirurginnen und Kinderchirurgen (z. B. Würtenberger, Frau Heiming, Pompino, von der Ölsnitz) genutzt, um die Jubilare über die Anfangszeit der Kinderchirurgie zu befragen. Die Tagung der Leitenden Kinderchirurginnen und Kinderchirurgen in Bonn auf dem Petersberg 2011 gab Gelegenheit, über Meißner, abermals Rehbein, Ilse Krause, Daum und ihre Zeit in der Gesellschaft zu referieren. Erinnert sei auch an die Reihe "Ehemalige Präsidenten".
Wer aus dieser (unvollständigen) Aufzählung schließt, wir hätten mittlerweile doch ein Übermaß an Historie, zumindest aber Stoff genug, eine Geschichte der Kinderchirurgie in Deutschland zu schreiben, oder Material denen zur Verfügung zu stellen, die darüber schreiben wollen, der irrt. Das, was wir bisher haben, ist, was den westlichen Teil Deutschlands betrifft, eher bescheiden.
Das gilt nicht für die ehemalige DDR. Hier hat Gdanietz in subtiler Weise zusammengetragen, was die Entwicklung der Kinderchirurgie im Gesamten und die Einrichtung von Abteilungen in den einzelnen Universitäten und Kliniken betrifft. Ähnliches haben wir nun für alle Regionen Deutschlands vor.
Kann aber unsere Reflexion der Vergangenheit im Sinne Nietzsches befruchtend wirken, wenn sie das rechte Maß hat? Man kann das sehr praktisch sehen und braucht dabei den Philosophen gar nicht weiter zu bemühen. Wie haben es unsere Vorgänger geschafft, sich von den Allgemeinchirurgen zu lösen und doch mit Ihnen zusammen zu arbeiten? Immerhin haben diese Rehbein zu ihrem Ehrenmitglied gewählt und er hat auf Grund seines Ansehens viel für uns erreicht. Inzwischen hat sich viel verändert. Aber warum sollte es nicht erneut gelingen, auf Grund des Ansehens, das sich die Kinderchirurgie erworben hat oder neu erwirbt, Neues zu erreichen und unser Primat für die Kinder diesmal festzuschreiben. Der gemeinsame Kongress könnte ein Anfang sein.
Wie haben seinerzeit die kinderchirurgischen Pioniere die Pädiater als ihre natürlichen Partner von ihrer Kompetenz nicht nur im Hinblick auf die Operation, sondern auch für die Zeit davor und danach überzeugt? Wie war der bestmögliche Weg, um zu einer guten Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu kommen? Welche Wege wurden mit den Vertretern der Verwaltung beschritten, um für die Kinderchirurgie das Optimum zu erreichen?
Vieles lief früher auf der Basis persönlicher Freundschaft, was die heutigen Strukturen nur beschränkt zulassen. Man braucht aber nicht jedes Rad neu zu erfinden. So dürfte von Nutzen sein, zu erfahren, wie Probleme, die sich den Kinderchirurgischen Vorfahren ebenso stellten wie sie sich der heutigen Generation stellen, gelöst wurden. Auch so kann die geschichtliche Betrachtung sinnvoll sein.
Manchem mögen solche Zusammenhänge hergeholt und übertrieben scheinen. Vielleicht hat er Recht. Dann lohnt es sich trotzdem, Geschichte um der Geschichte willen zu bewahren. In diesem und im oben skizzierten Sinne ist die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie interessiert, ihr historisches Archiv weiter auszubauen. Deshalb wird Frau Lorenzen, die die wesentliche Arbeit leistet, sich in Einklang mit dem Vorstand an alle Klinik- und Abteilungsleiter wenden und um die Beantwortung von Fragen bitten. Außerdem ist ein offener Arbeitskreis gebildet, dem man auf Dauer oder nur auf Zeit angehören kann, wenn man zu einer bestimmten Person, einer bestimmten Klinik oder einer bestimmten Entwicklung etwas beitragen will. Hilfreich ist auch, wenn Artikel, die anlässlich von Geburtstagen, Klinikjubiläen oder zum Gedenken an ein Mitglied unserer Gesellschaft verfasst sind, zugesandt werden.
Wenn Sie mitarbeiten wollen, wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle (
Frank Höpner